Bleihaltige Partikel beeinflussen Klima über die Eisbildung in Wolken

Bleibelastung der Luft hat in der Vergangenheit den Treibhauseffekt vermutlich stark gedämpft – Veröffentlichung in Nature Geoscience


Die Bleibelastung der Luft regt die Bildung von Eisteilchen in den Wolken an. Ein Team von Wissenschaftlern aus den USA, Deutschland und der Schweiz hat herausgefunden, dass bleihaltige Partikel sehr gute Keime für die Entstehung von Eiskristallen in Wolken sind. Das wirkt sich nicht nur auf die Bildung von Regen und Niederschlägen aus, sondern möglicherweise auf das gesamte Erdklima. Denn die Wärmestrahlung der Erde wird von Eiswolken (Zirrus) mit bleihaltigen Partikeln stärker in den Weltraum abgegeben, als bisher angenommen. Im Vergleich zu bleiarmen Wolken kühlen bleireiche Wolken also die Erde. In den letzten zwanzig Jahren gingen die vom Menschen verursachten Bleiemissionen stetig zurück. Dies könnte bedeuten, dass sich der Treibhauseffekt heute stärker auswirkt, nachdem er früher durch bleihaltige Wolken gedämpft wurde.



Im Sphinx-Observatorium, einer Schweizer Forschungsstation auf dem Jungfraujoch in 3580 Meter Höhe, hatten Wissenschaftler von verschiedenen Einrichtungen, darunter die Universitäten Frankfurt und Mainz sowie das Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz, in den Wintern 2006 und 2007 die chemische Zusammensetzung von Wolken untersucht. „Uns interessiert vor allem die Frage, wie sich Eispartikel bilden. Denn die Wassertröpfchen in der Atmosphäre gefrieren nicht einfach bei null Grad, sondern brauchen bis zu einer Temperatur von minus 37 Grad einen Eiskeim, also ein Aerosolpartikel, das die Eisbildung auslöst“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Joachim Curtius vom Institut für Atmosphäre und Umwelt (IAU) an der Goethe-Universität Frankfurt. Das Prinzip wird beispielsweise auch bei Schneekanonen eingesetzt, wo teilweise Proteine von Pseudomonas-Bakterien als Eis bildende Keime verwendet werden – eine umstrittene Anwendung.



Wissenschaftler messen Eispartikeln in Wolken große Bedeutung bei, weil sie ganz wesentlich zur Entstehung des Regens in Wolken beitragen. „Wir können weder Klimaveränderungen noch den globalen Wasserkreislauf verstehen, wenn wir nicht wissen, welche Partikel die Eisbildung in der Atmosphäre verursachen“, teilt Univ.-Prof. Dr. Stephan Borrmann mit. Der Atmosphärenphysiker ist Leiter der „Abteilung Partikelchemie“, einer gemeinsamen Einrichtung am Max-Planck-Institut für Chemie und dem Institut für Physik der Atmosphäre der Universität Mainz.



Die Untersuchungen am Jungfraujoch und in den Rocky Mountains in Colorado ergaben, dass Teilchen mit einem Bleianteil zu den wirksamsten Eiskeimen gehören, die in der Atmosphäre zu finden sind. „Das entscheidend Neue für uns ist die überhöhte Häufigkeit, mit der wir Blei in den Eispartikeln gefunden haben“, so Curtius. „Wir konnten das Blei etwa in jedem zweiten Eiskeim nachweisen, im Durchschnitt der Aerosolpartikel dagegen nur in jedem zwanzigsten." Blei alleine macht jedoch noch keinen Eiskeim. Winzige Bleipartikel verbinden sich mit anderen Bestandteilen der Luft wie Mineralstaub aus der Sahara. Ein Teil dieser Mineralstaub-Teilchen ist selbst schon als Eiskeim wirksam. In Verbindung mit Blei wird jedoch aus solch einem guten Eiskeim ein sehr guter Eiskeim, der schon bei wärmeren Temperaturen und bei geringerer Feuchtigkeit die Eis-Kristallisation auslöst.



Laborexperimente an der AIDA-Aerosol- und Wolkenkammer am Forschungszentrum Karlsruhe bestätigten die Ergebnisse der Feldstudien in der Schweiz. Modellrechnungen der ETH Zürich zeigen darüber hinaus, dass die bleihaltigen Partikel die Eigenschaften von Zirruswolken so verändern, dass die von der Erde ins All abgegebene langwellige Strahlung deutlich beeinflusst wird. Insgesamt könnte die abgegebene Wärme der Erde theoretisch also um bis zu 0,8 Watt pro Quadratmeter steigen, wenn alle eisbildenden Mineralstaubteilchen Blei enthielten. Zum Vergleich: Der Klimaantrieb durch die menschgemachten CO2-Emissionen beträgt etwa 1,6 Watt pro Quadratmeter. Die bleihaltigen Eiskeime haben also vermutlich über ihre indirekte Wirkung auf die Eiswolkenbildung einen abkühlenden Effekt auf das Klima.



Die Wissenschaftler nehmen nun an, dass durch die wesentlich höhere Bleibelastung in den 70er und 80er Jahren – verursacht von verbleitem Benzin und dem Bleiausstoß aus Kraftwerken – der überwiegende Teil aller Mineralstaub-Teilchen mit Blei kontaminiert war und die Erde dadurch mehr Wärme abgegeben hat als heute. „Dadurch wurde vermutlich der globale Temperaturanstieg damals noch etwas abgebremst, während heute der Treibhauseffekt fast voll durchschlägt“, sagt Curtius.



Eine Rückkehr zu den Bleiemissionen des letzten Jahrhunderts kann trotzdem unmöglich erwünscht sein. Blei ist ein giftiges Schwermetall, das zu heftigen Gesundheitsschäden führen kann. „Wir können aber jetzt im Nachhinein vielleicht erklären, warum der Temperaturtrend in den letzen Jahren stärker nach oben geht, nämlich weil die anthropogene Freisetzung von Blei - und auch Sulfat - gedrosselt wurden“, so Borrmann.

„Die Ergebnisse zeigen, dass vom Menschen verursachte Emissionen die Eiskeime beeinflussen können und dadurch Niederschlag und Klima gestört werden können“, heißt es in der Veröffentlichung der Forschungsergebnisse in Nature Geoscience. An dem Projekt waren außerdem auch die TU Darmstadt, das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung in Leipzig sowie das Pacifc Northwest National Laboratory in Richland/Washington und die US-Behörde National Oceanic and Atmospheric Administration in Boulder/Colorado beteiligt. Die Beteiligung der Universitäten Mainz und Frankfurt, der TU Darmstadt und des Max-Planck-Instituts für Chemie erfolgte hierbei im Rahmen des DFG-Sonderforschungsbereichs 641 „Die Troposphärische Eisphase“.



Originalveröffentlichung:

Daniel J. Cziczo, Olaf Stetzer, Annette Worringen, Martin Ebert, Stephan Weinbruch, Michael Kamphus, Stephane J. Gallavardin, Joachim Curtius, Stephan Borrmann, Karl D. Froyd, Stephan Mertes, Ottmar Möhler & Ulrike Lohmann

Inadvertent climate modification due to anthropogenic lead

Nature Geoscience, Online-Veröffentlichung vom 19. April 2009

doi: 10.1038/ngeo499