Weltwahrnehmung und Wahrheitsverständnis sind schon immer kulturell geprägt und historisch bedingt. Die Begrenztheit, Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit kultureller Sachverhalte in ihrem je eigenen historischen Kontext zu untersuchen, ist das Aufgabengebiet der Historischen Kulturwissenschaften. Aufgrund der Disziplinenvielfalt der Johannes Gutenberg-Universität verfügt der Mainzer Forschungsschwerpunkt "Historische Kulturwissenschaften" über die international seltene Kompetenz, eine sehr große Zahl kultureller Wissensräume in historischer Dimension analysieren zu können.
"Sinnkonstruktion als kulturelle Praxis: Historische Perspektiven" ist das verbindende Forschungsleitthema des Schwerpunktes. Die Historischen Kulturwissenschaften untersuchen den meist impliziten Sinn, der kulturellen Praktiken und Zeichensystemen zugrunde liegt, und rekonstruieren das darin aufgehobene Wissen. So unausgesprochen dieses zumeist auch ist, kulturelles Wissen ist heute wie damals der Schlüssel zur Welt: Menschen finden sich vor dem Hintergrund kollektiver Überzeugungen und Normen in der Welt zurecht und kommunizieren in kulturell vorgeprägten Bahnen. Wie unterscheiden sich zeitlich oder räumlich weit voneinander entfernte Kulturen in ihren Hintergrundkonzepten und Vorstrukturierungen der Welt? Welchen Beitrag leisten einzelne Handlungen und Werke zur Veränderung dieser Strukturierungen? Welche historischen Wurzeln haben unsere heutigen Problemlagen? Historische Kulturwissenschaften erzeugen so neue Perspektiven auf kulturelle Prozesse in Geschichte und Gegenwart. Sie ermöglichen so, diese besser zu verstehen – und damit auch die eigene gegenwärtige Kultur.
Im Spektrum des Schwerpunkts Historische Kulturwissenschaften spiegelt sich die Vielfalt historisch arbeitender Fächer an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz wider. Die Vernetzung umfasst linguistisch, philologisch und literaturwissenschaftlich orientierte Fächer, historische Wissenschaften mit quellenbezogenem Zugriff, archäologische und kunsthistorisch-bildwissenschaftliche Fächer sowie rechtshistorische oder theologische Disziplinen bis hin zum Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin oder der Geschichte der Mathematik und der Naturwissenschaften.
Genuines Profil der Mainzer Historischen Kulturwissenschaften ist ein ausdrücklich empirisch- historisches Forschungsinteresse, das sich auf die unterschiedlichsten Kulturräume von der Vor- und Frühgeschichte bis in die Gegenwart, von Kerneuropa über Nord- und Südamerika bis hin zu Nordafrika, dem Nahen Osten und weiten Teilen Asiens richtet. Damit bildet der Mainzer Schwerpunkt ein Komplement zur stärker typologisch-modellhafter Forschung an anderen Universitäten und Instituten.