Physikerinnen und Physiker im Beruf

Von Friedrich Kayser, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Physik

„Also eigentlich finde ich Physik ja echt spannend. Ich denke schon, dass ich in einem Physikstudium vieles lernen würde, was mich wirklich interessiert. Aber ich kann mir absolut nicht vorstellen, wie daraus mal ein Beruf werden soll – auf eine Karrieremöglichkeit in „Forschung und Lehre“ ist ja wohl kein Verlass. Und wo werden sonst schon Physiker gebraucht?“ – so (oder so ähnlich) denken vielleicht auch Sie. Eine klare Vorstellung von den späteren beruflichen Möglichkeiten haben die wenigsten Studienanfänger der Physik – das ist ein Befund mit Tradition: Oft motiviert einfach das Interesse am Fach zum Studium und die späteren Karrierechancen spielen erst einmal keine wesentliche Rolle. Aber Ihnen erscheint es vielleicht leichtfertig, das Studienfach nur nach „Lust und Laune“ zu wählen? Sie wollen schon vorher wissen, ob und wie Sie mit den im Studium erworbenen Kenntnissen und Fertigkeiten später Ihren Lebensunterhalt verdienen können? Und die Frage „Wo werden Physiker gebraucht?“ hätten Sie auch gerne beantwortet?

Nun, natürlich sind diese Fragen berechtigt, und Sie sollten ihnen nicht aus dem Wege gehen. Allerdings: Der Arbeitsmarkt für Physikabsolventen ist in der Tat nicht so ganz leicht zu analysieren! Das Physikstudium bereitet eben nicht (wie vielleicht das Medizinstudium) unmittelbar auf eine einigermaßen fest umrissene berufliche Tätigkeit vor, sondern schafft vielmehr eine breite und solide Basis, auf die sich dann ganz unterschiedliche spezielle Qualifikationen – in schier unüberschaubarer Vielfalt – gründen lassen. Obwohl schon während des Hauptstudiums eine gewisse Schwerpunktbildung erfolgt, erwirbt man typischerweise einen nicht geringen Teil dieser Spezialkenntnisse erst später „on the job“. Schließlich gibt es keine „physikalische Industrie“ (in dem Sinn, wie man beispielsweise von „chemischer Industrie“ spricht). Die Folge: Außerhalb von Universität und Forschungslabors (an denen in der Tat nur wenige Absolventen auf Dauer eine Stelle finden) werden eher selten Positionen ausdrücklich (oder gar ausschließlich) für Physiker ausgeschrieben. Trotz alledem – oder eigentlich: gerade deswegen! – eröffnen sich Physikern auf dem Arbeitsmarkt eine Fülle von Möglichkeiten: Sie sind eben durch ihre Ausbildung nicht auf eine spezielle Nische festgelegt, sondern als „qualifizierte Generalisten“ auf vielen unterschiedlichen Positionen einsetzbar. Zwar stehen sie dabei nicht selten im direkten Wettbewerb mit Spezialisten (beispielsweise Ingenieuren) der jeweiligen Fachrichtung, sie können aber überall dort punkten, wo neben dem bloßen Tun auch die kritische Reflektion und die kreative Entwicklung neuer Konzepte gefordert sind. Über ihr originäres Kompetenzfeld hinaus erweisen sich Physiker als Experten für die Lösung komplexer Probleme. Daher arbeiten sie nicht nur in Forschung und Entwicklung (ihrer klassischen Domäne), sondern auch in vielen Zweigen der Informationstechnologie, bei Banken und Versicherungen, in der Unternehmensberatung sowie bei staatlichen und internationalen Organisationen – meist im Team zusammen mit Experten anderer Disziplinen. Und manch eine/r schafft es sogar bis in die Führungsebene des jeweiligen Unternehmens.

Natürlich erwirbt man auch als Physiker weder mit der Diplomurkunde noch mit dem Doktorhut einen Garantieschein für eine erfolgreiche Karriere – aber interessante Möglichkeiten eröffnen sie allemal. Welche man dann für sich nutzen kann – das hängt in erster Linie von den eigenen Interessen, den spezifischen Fähigkeiten und dem persönlichen Engagement ab. Und auch eine Prise Glück soll manchmal schon ein Stückchen weiter geholfen haben. Aus all dem wird klar: Eine umfassende Übersicht über alle Physikern zugänglichen Berufsfelder ist kaum zu gewinnen – am allerwenigsten mit statistischen Erhebungen (die natürlich in anderem Zusammenhang durchaus ihre Berechtigung haben). Um Ihnen dennoch einige Einblicke zu ermöglichen, haben wir einige unserer Absolventen gebeten, ihren (bisherigen) Berufsweg und ihre persönlichen Erfahrungen zu schildern. Die in dieser Einführung abstrakt formulierten Thesen werden so – wie wir hoffen – vielfältig und trefflich illustriert. Natürlich können persönliche Erfahrungen keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben. Natürlich haben alle Autoren ihr Studium schon hinter sich, manche schon seit Jahrzehnten – sonst könnten sie nicht so viel berichten.

Natürlich werden Sie nach Ihrem Physikstudium inhaltlich vor anderen Herausforderungen stehen. Aber mit einiger Sicherheit werden auch Sie Ihren Weg finden! Dabei wünschen wir Ihnen viel Erfolg!